Die Liste der Putin-Verehrer ist lang und bunt. Alle politischen Lager sind darin vertreten. Donald Trump sieht in ihm einen Bruder im Geiste, ein Raubein, das sich nimmt, was es will. Wie der TV-Star Trump nach Frauen griff, greift Putin nach Territorien. Er tut es, weil er es kann und weil er keine Gegenwehr zu befürchten hat.
Die europäischen Linksradikalen handeln nach der Devise: Der Feind meines (Erz-)Feindes ist mein Freund. Ihre Putin-Verehrung speist sich aus einer Quelle, die schier unerschöpflich ist: aus Antiamerikanismus. Dieses Muster kann man besonders gut an der deutschen Linkspartei studieren. Als sich die beiden Weltmächte Sowjetunion und USA im Kalten Krieg hochgerüstet gegenüberstanden, stand ihre Vorläuferin, die SED, „unverbrüchlich“ auf Seiten der SU. Als das kommunistische Imperium nach 1990 auseinanderflog, teilten die deutschen Kommunisten den Phantomschmerz Russlands, das mit einem geschrumpften Territorium und mit geschwächter Wirtschaft am Boden lag. Dass sich Putin anschickt, die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ (Putin) wieder rückgängig zu machen, indem er Nachbarstaaten (Weißrussland, Kasachstan) in die Eurasische Union zwingt oder gar militärisch angreift (Georgien, Ukraine), erfüllt die deutsche Linke mit Freude. Putin tilgt damit die Schmach, die ihm der kapitalistische Westen mit seiner Überlegenheit zugefügt hat. Und die Linke kann sich an Putins Erfolgen mit erfreuen. Rache ist eben doch ein sehr süßes Gefühl.
Rechtsradikale vom Schlage des Front National und der AfD schätzen an Putin vor allem den Autokraten, der sich nicht mit den lästigen Fallstricken der Demokratie herumplagen muss. Seine „vertikale Demokratie“ ermöglicht es ihm, Entscheidungen – auch über Krieg und Frieden – ohne Parteiengezänk selbst zu treffen. Die ihm zu Gebote stehende Propagandamaschine versteht es, selbst die schmutzigste Politik als Wohltat für das Volk zu verkaufen. Die Särge der im Ausland gefallenen Soldaten werden heimlich bestattet, die Opferzahlen als Staatsgeheimnis gehütet. Vielleicht träumt die europäische Rechte von einem Staatsmodell, das die Demokratie „überwindet“, indem es eine Führerfigur an die Spitze stellt. Den Rechten gefällt auch das nationalistische Trommelfeuer, dass Russland seit einigen Jahren entfacht. Putins „nationale Erhebung“ nimmt Fremdenfeindlichkeit in Kauf. Selbst gegen eigene Minderheiten in der russischen Föderation wird gehetzt. Menschen mit „kaukasischem Aussehen“ werden von russischen Firmen wie Sklaven gehalten, von Neonazis und Rocker-Clubs werden sie auf offener Straße angegriffen. Manche Rechte im Westen träumen wohl von dieser Blaupause für den Kampf gegen die eigene multikulturelle Gesellschaft.
Putin hat aber auch Verehrer unter bürgerlichen Politikern, denen man noch vor kurzem unterstellt hätte, dass sie ihrer Verstandeskräfte mächtig sind. Der frühere französische Präsident Sarkozy hält Putin für einen „Schutzpatron der Christenheit“. Die Islamphobie des konservativen Präsidentschaftsbewerbers sitzt so tief, dass er völlig übersieht, dass die religiöse Attitüde Putins eine simple Masche ist, seinen Machtanspruch national und international auch geistig-geistlich abzurunden. Russland hat in der Nähe des Eiffelturms ein Grundstück gekauft und darauf eine gigantische orthodoxe Kirche („Sankt Wladmir“) mit fünf Zwiebeltürmen errichten lassen, die künftig die Blickachse in der Innenstadt von Paris prägen werden. Während die russischen Kommunisten einst die Religion ins Private zurückgedrängt und in den Kirchen Getreidesilos eingerichtet haben, weiß der ehemalige Geheimdienstoffizier Putin um die Macht und Beständigkeit der naiven Frömmigkeit im russischen Volk. Beim Metropoliten stößt er auf offene Ohren, weil er sich durch die Liaison mit der Staatsmacht Geld und Prestige verspricht. Ob die Politik Putins noch irgendwie entfernt mit christlichen Maßstäben übereinstimmt, ist für die Kirchenführung keine legitime Frage.
Ein besonderer Problemfall ist die SPD. Lässt man Gerhard Schröder beiseite, der mit seiner Freundschaft mit Putin finanzielle Interessen verfolgt, bleibt es ein Rätsel, weshalb eine ganze Schar erfahrener Politiker – Steinmeier, Gabriel, Platzek, Erler – sich schützend vor Putin stellt, und zwar auch dann noch, wenn offenbar wird, dass seine Luftwaffe in Aleppo schwere Kriegsverbrechen verübt. Diese Haltung ist tragisch zu nennen, zumal dieser ur-demokratischen Partei SPD alles zuwider sein müsste, was Putin im Inneren seines Reiches veranstaltet. Er hat nicht nur die parlamentarische Demokratie abgeschafft, sondern auch die wichtigsten Bürgerrechte beseitigt. Homosexuelle werden nicht nur diskriminiert, sie laufen wegen der staatlich verordneten Stigmatisierung Gefahr, von rechten Schlägern ermordet zu werden.
Es gibt nur einen Grund, weshalb sich die SPD reflexartig vor Putin stellt, wenn Politiker (vor allem von CDU und den Grünen) nach weiteren Sanktionen gegen Russland rufen. Die SPD kann nicht von ihrer Entspannungspolitik lassen, die ihr 1972 bei den Bundestagswahlen mit 45,8 % das beste Wahlergebnis aller Zeiten beschert hat. Diese fixe Idee hindert die SPD daran, den Unterschied zwischen dem Kalten Krieg von einst und dem Kriegsszenario von heute zu erkennen. Die Sowjetunion tat alles, um ihr sozialistisches Imperium vor dem Zerfall zu bewahren. Sie wusste um dessen wirtschaftliche Schwäche und sah mit Sorge, dass sich die Blicke der Menschen begehrlich gen Westen richteten, wo Freiheit und Wohlstand winkten. Die „Breschnew-Doktrin“ war Ausdruck dieses defensiven Denkens. Kein Staat durfte ausscheren. Und wenn er es versuchte, wurde er mit Waffengewalt zur Raison gebracht (DDR 1953, Ungarn 1956, CSSR 1968). Offensiv ging die Sowjetunion nur in der Dritten Welt vor, wo sie Befreiungsbewegungen unterstützte und zum Kampf gegen den „Kolonialismus“ aufrüstete. Stellvertreterkriege waren die Folge. Als die SU dann doch einmal versuchte, in den Herrschaftsbereich der USA einzudringen (Kuba 1962), zuckte sie sofort zurück, als die militärische Auseinandersetzung drohte. Die heutige Situation ist völlig anders gelagert. Putin würde zwar auch nie einen NATO-Staat angreifen und er wäre auch nicht so töricht, im unmittelbaren Vorhof der USA militärisch zu agieren. Er weiß aber nur zu gut, dass er in der schutzlosen Zwischenzone zwischen Russland und dem NATO-Gebiet frei schalten und walten kann, weil der Westen nicht bereit wäre, für die Ukraine oder Georgien in den Krieg zu ziehen. Die schlaffen Reaktionen des Westens auf diese beiden Eroberungen haben ihm recht gegeben.
In Syrien greift Putin auf skrupellose Weise Partei für einen Potentaten, der schon Hunderttausende Landsleute auf dem Gewissen hat. Der Militärstützpunkt in der Marinebasis Tartus soll auf jeden Fall verteidigt werden, weil er Russland die Tür ins östliche Mittelmeer öffnet. Das Traurige ist, dass die SPD-Politiker so blind sind, dass sie über die Kriegsverbrechen Russlands in Aleppo hinwegsehen. Russische Bomber werfen bunkerbrechende Bomben auf Wohngebiete, die die Menschen in den Kellern und unterirdischen Schutzräumen töten. Sie greifen Hilfskonvois und Krankenhäuser an. Selbst die Hilfszentren der Weißhelme (syrische Hilfsorganisation) werden nicht verschont. Die einstige Friedenspartei SPD ist wahrlich tief gesunken.